Bis
zum Zerreißen sind die Nerven
des Mörders gespannt. Konzentriert
versucht er, dem Geplapper dieses unmöglichen Inspektors von der
Kripo Los Angeles zu folgen. Er redet unverdrossen von Champagner, den
seine Frau im Sonderangebot kauft, und über den Krach zu Hause,
wenn er wieder die Zigarrenasche auf den Teppich fallen lässt. Dann,
als dieser Columbo endlich verschwinden will, dreht er sich an der Tür
noch einmal um: „Was ich noch fragen wollte – weshalb waren Sie eigentlich
zur Tatzeit nich im Haus?“ Nur um diesen Schwerenöter loszuwerden,
wird der Verbrecher unvorsichtig – und macht Fehler, die ihn den Kopf
kosten. Er geht Inspektor Columbo auf den Leim. Vorbildliche Polizeiarbeit
sei das, rühmen die deutschen Kripobeamten den amerikanischen Fernsehpolizisten. „So
einen Spezialisten in der Vernehmungstechnik könnte jede Kripo-Dienststelle
gut gebrauchen“, sagt Wolfgang Lüdtke, Sprecher der Hamburger Polizei.
Er geht sogar noch weiter: „Als Lehrfilm kann ich mir die Columbo-Filme
gut vorstellen.“
Auch der deutsche Krimi-Autor
und Regisseur Jürgen Poland ist überzeugt
davon, Columbo müsse Vorbild für alle Polizisten sein, die
mit der krausen Idee zur Polizei gingen dort würde wie in amerikanischen
Fernsehserien wild herumgeballert. „Es ist ganz klar mein Lieblingskommissar“,
sagt Poland, der „Ehrenkommissar“ der Hamburger Kripo und Autor solcher
Reihen wie „Stahlnetz“ und „Großstadtrevier“. Im fernen Beverly
Hills kann sich Peter Falk über so viel Lob aus Deutschland nur
freuen – obwohl der inzwischen ergraute Schauspieler, der am 16. September
seinen 65. Geburtstag feiert, für seinen Columbo weit größere
Lorbeeren einstecken durfte. Vier Emmys – die höchste Auszeichnung
für US-Fernsehschauspieler – brachte ihm die Rolle des bis zur Schusseligkeit
zerstreuten Inspektors. Zudem kassiert er 450 000 Mark pro Folge, ein
Spitzenhonorar selbst in Hollywood.
Peter Falk und dieser Columbo
sind miteinander verschmolzen. Hartnäckig
hält sich das Gerücht, seine zweite Ehefrau Shera Danese habe
sich von ihm scheiden lassen wollen, weil er im Bett den Columbo-Trenchcoat
trage. Tatsächlich hat Falk es geschafft, um das ihn viele Kollegen
beneiden: Untrennbar mit seiner Rolle hat er deshalb gegenüber der
Fernsehstation ABC
fast uneingeschränktes Mitbestimmungsrecht. Falk
sucht die Drehbücher aus und garantiert damit für die gewohnte
Qualität. „Im vergangenen Jahr habe ich den Columbo nur dreimal
gespielt, weil ich nur drei gute Drehbücher fand. Jetzt denk ABC,
ich würde in diesem Jahr fünfmal in den Trenchcoat schlüpfen – aber
da irren sich die Herren sehr“. diktiert Falk die Bedingungen und lächelt
so verschmitzt, wie es nur das Original Columbo kann.
Dabei achtet Falk
penibel darauf, dass sein Inspektor mit dem zerknitterten Mantel, dem
Glasauge und dem schrottreifen Auto nicht verfälscht
wird: „Das Ende muss vorhersehbar bleiben, obwohl die Zuschauer den Täter
von Anfang an kennen. Auf gar keinen Fall dürfen wir uns auf die
Jungs von der Gerichtsmedizin verlassen, die rechtzeitig das alles entscheidende
Haar finden. Ich muss den Fall lösen, und zwar so, dass der Zuschauer
sich fragt, weshalb er nicht selbst darauf gekommen ist.“
Dieses Konzept
funktioniert seit fast 25 Jahren – als der erste Columbo
mit dem Titel „Mord auf Rezept“ (Anm. icolumbo: Eigentlich ist der Titel „Mord
nach Rezept“), den RTL plus vor kurzem als Auftakt für seine neue
Staffel gezeigt hat, über die amerikanischen Bildschirme flimmerte.
Und weil es so gut ist, versuchen weltweit Drehbuchautoren und Krimi-Regisseure
vergeblich, Columbo nachzuahmen. Kopien wie „Tatort“ -Kommissar Stoever
(Manfred Krug) oder der Gourmet-Polizist Palu (Jochen Senft) wirkten
eher langweilig. Columbo bleibt eben der Größte.
Etwas anderes
als den schrulligen Polizisten zu spielen, dessen Gesicht mit den Falten
seines Trenchcoats um die Wette knittern, hätte Falk
nicht nötig. Doch ab und zu sucht er sich trotzdem andere Herausforderungen.
Immerhin war der Schauspieler schon zweimal für den „Oscar“ (für „Unterwelt“,
1960, und „Die unteren Zehntausend“, 1961) nominiert, bevor er 1968 Columbo
wurde. Zuletzt spielte er in „Julia und ihre Liebhaber“ einen exzentrischen
Seifenoper-Auto, der das wirkliche Leben im Seifenoper-Stiel umschreiben
will. Bei seinen Ausflügen in die Kinowelt gab er auch schon den
Columbo – in Wim Wenders „Himmel über Berlin“.
Den Inspektor kann
der Schauspieler eben nicht so leicht abschütteln.
Und doch gelingt es dem Hollywood-Star – zum Beispiel, wenn er den Kohlestift
in die Hand nimmt und in seiner zum Atelier umgebauten Garage malt. Oder
beim Golfspielen. Beides könnte der ungeschickte Columbo sowieso
nicht.
Columbo ist zu einer Kultfigur
geworden, deren allzu menschlichen Züge
es auch dem Darsteller leicht mache, auf dem Teppich zu bleiben. Peter
Falk pflegt den Columbo in sich: Er ist bescheiden, ein Mann der leisen
Töne.
Peter Falk leistet es sich,
weiter zu arbeiten, obwohl er und sein Columbo nun ins Pensionsalter
gekommen sind. „So lange die Zuschauer mich wollen
und die Drehbücher erstklassig sind, werde ich den Inspektor spielen“,
verspricht er lächelnd, um dann verstohlen seine herabgefallene
Zigarrenasche mit dem Schuh unter den Tisch zu stupsen.
J. Kloster
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