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Wein ist dicker als Blut und diese Episode ist schwächer als ihr Ruf – finde jedenfalls ich. Keinesfalls ein Totalausfall à la „Bluthochzeit“ und in einigen Aspekten sogar ausgesprochen stark, da haben die Fans dieser Folge (laut Wiki auch Peter Falk höchstselbst) schon recht. Die Stärken liegen (neben einigen Kult-Elementen, einer gewagten Spekulation über Columbos Nachwuchs sowie das erstmalige Vorkommen von „This Old Man“) in der Täterfigur, mit Donald Pleasance prominent besetzt, und in ihrem Verhältnis zu Columbo. Hier ist erstmals voll ausgefeilt, was Columbo, der große Humanist, in einer Ansprache in dem noch besseren „Alter schützt vor Morden nicht“ auf den Punkt bringt: Columbo billigt nicht die Morde, kann aber auch in „seinen“ Mördern noch liebenswerte oder zumindest nachvollziehbare Eigenschaften finden, für die er sie respektiert. Winzer Carsini (Pleasance) ist – darin eigentlich Columbo nicht unähnlich – ein nonkonformer Individualist. Der Inspektor möchte keinen Ferrari fahren, weil er „doch schon einen Wagen hat“, wie er hier sagt, nur als Beispiel. Und Carsini möchte Spitzenweine kreieren sowie erwerben, auch wenn sich dies nicht rentiert. Savoir-Vivre vor Profit, ein sympathischer Idealist, wenn auch ein bornierter Ignorant, da er außer der Welt des Weines wirklich gar nichts kennt. Droht also sein Steckenpferd abzustürzen, so ist dies für ihn wirklich eine Vernichtung von allem, was ihm etwas bedeutet. Daher ist klar, dass der Gegner, der ihn vom Steckenpferd zu stoßen droht, sterben muss. Daher ist andererseits auch klar, dass Carsini vom Morden und Vertuschen nicht besonders viel versteht und es Columbo reichlich leicht macht. Gelegentlich schätze ich, ähnlich Hitchcock, durchaus, wenn die psychologische Konsequenz auf Kosten der Plausibilität geht, hier aber wendet sich dies gegen Columbo, der immer dann am besten ist, wenn Scharfsinn und Empathie gleichermaßen gefordert sind. Und Ersteres ist unterfordert, schade, ein Beispiel: Einer wie Carsini, insoweit absolut stringent, kann sich in einen Menschen nicht hineinversetzen, dem sein Ferrari soviel bedeutet wie Carsini der Wein. Also stellt er den Ferrari des Toten mit geöffnetem Verdeck an eine Klippe und täuscht vor, dass das Opfer ihn dort mehrere Tage so abgestellt hätte, was es aber ums Verrecken nicht getan hätte. Ein echter Ferraristo liebt sein Schmuckstück eben genauso wie ein Winzer aus Leidenschaft die seinen. Kann man drauf kommen… Genauso wie der im Morden Ungeübte nach der Untat eine zittrige Hand hat und einem anderen Mann das Dekantieren eines edlen Tropfens erlaubt, was absolut ungewöhnlich ist.
Und dazu noch die Absurdität des Plans wie Columbos Falle: Dass Carsini seine gesamten Weinbestände aufs Spiel setzt, um die im Affekt noch nicht ganz zu Ende gebrachte Tat zu beenden, passt auch psychologisch nicht. Zu diesem Zweck fesselt er das Opfer, sperrt es im Weinkeller ein und stellt die Klimaanlage aus, um es dort ersticken zu lassen. Kann er wissen, dass dies genau zwei Tage später passieren wird? Die Außentür sieht nicht so aus, als sei sie luftundurchlässig. Kann Carsini ausschließen, dass sich das Opfer noch von den Fesseln befreien kann? Jedenfalls herumhüpfen, eine der zahlreichen Weinflaschen umwerfen, mit dem Glas die Fesseln durchschneiden und/oder zumindest durch eine Verwüstung darauf aufmerksam machen, dass jemand hier anstatt bei einem vermeintlichen Tauchunfall verreckt ist – dies erscheinen mir sehr naheliegende Möglichkeiten. Vielleicht sogar Hinweise geben, aber wir sind leider nicht im von mir sehr geliebten „Alter schützt vor Morden nicht“. Obwohl ich kein Naturwissenschaftler bin, erscheint mir die später geäußerte Annahme geradezu idiotisch, bei 40 Grad Außentemperatur wäre es in einem Weinkeller (!) bestimmt 60 Grad heiß geworden. Und selbst wenn: Dehydriert der Mann da nicht, kann man das nicht feststellen, kann man nicht Spuren des doch recht straff gezogenen Fessel-Seils feststellen? Und zu Columbos Falle wäre zu bemerken, dass er doch kaum wissen kann, dass Carsini daraufhin seine Weinbestände AN EINER GANZ BESTIMMTEN STELLE vernichten wird, was ihn schließlich verrät. Kurzum, kriminalistisch ist die Folge wirklich schwach, sodass auch ein Hitchcock’scher Hinweis à la „Logiker sind nicht kreativ“ nicht hilft: Wie beim Wein gilt: Die Dosis macht das Gift.
Darüber mögen die Qualitäten natürlich nicht vergessen werden, die oben weitgehend schon erwähnt wurden und die mit einem Hinweis auf eine von Julie Harris exzellent gespielte Figur dieser Rezension ein versöhnliches Ende geben mögen. Sie ist die Sekretärin Carsinis, ein wenig altjüngferlich, aber noch attraktiv und würdevoll, sodass sie Empathie, aber weder übergroßes Mitleid noch Spott erntet, ganz wunderbar. Sie himmelt Carsini an, versteht ihn aus tiefster Seele und muss als wahrhaft tragische Figur grad deshalb wissen, dass sie bei ihm nie wird landen können. „Frauen und Wein sind eine herrliche Pracht“, hieß einmal ein Schlager, aber Carsini ist wirklich dermaßen monokulturell, dass seine einzige Liebe nicht roten Rosen und roten Lippen, sondern rotem Wein gilt (um noch einen Schlager zu zitieren). Und weil die Dame das weiß, wird sie nicht die Passive bleiben, sondern die Handlung auf äußerst interessante Weise im letzten Akt vorantreiben. Carsini wählt am Ende das für ihn kleinere Übel (und dass das eine kluge Wahl war, mag man am frustrierenden, umgekehrten Finale des grandiosen „Match Point“ von Woody Allen erahnen). Darauf darf er mit Columbo anstoßen, in einer Episode, die nicht wirklich schlecht und manchmal großartig ist, aber gemessen an ihrem Ruf enttäuscht. 6 von 9 Punkten. |